In unserer schnelllebigen, lauten und stressigen Welt suchen immer mehr Menschen nach Möglichkeiten, ihre geistige und körperliche Gesundheit zu verbessern. Yoga hat sich als eine der beliebtesten Praktiken erwiesen, die nicht nur den Körper stärkt, sondern auch die geistige Klarheit und emotionale Stabilität fördert. 300 Millionen Menschen üben laut einem Artikel aus der Yoga World von 2022 weltweit Yoga. In Deutschland sind es ca. 5 Millionen (2021) und in Frankreich ca. 7 Millionen (2022), die regelmäßig praktizieren. Ich finde es total klasse, dass für so viele Menschen Yoga mittlerweile zum alltäglichen Leben dazugehört. Leider höre ich aber auch immer wieder den noch so oft vorherrschenden Glaubenssatz, dass man beweglich und flexibel sein muss, um Yoga zu praktizieren? What the hell… Deshalb möchte ich mich mit meinem heutigen Artikel einmal der ursprünglichen Bedeutung des Yogas widmen. Lass uns mal schauen, wo dieser Glaubenssatz herkommen könnte und welche Lösungsansätze sich bieten, um diesen Gedanken aufzulösen.

 

Die Wurzeln des Yoga

Yoga ist eine jahrtausendealte Praxis, die ihren Ursprung in Indien hat und eng mit der indischen Philosophie und Spiritualität verbunden ist. Das Wort „Yoga“ leitet sich vom Sanskrit-Wort „Yuj“ ab, was so viel bedeutet wie „vereinen“, „Einheit“ oder „Harmonie“. Der Zweck des Yoga besteht darin, eine Einheit zwischen Körper, Geist und Seele herzustellen. Es ist nicht einfach, Sinn und Zweck von Yoga in ein paar Sätzen zu erklären. Im Yoga-Sutra von Patanjali gibt es folgenden Vers:

yogaś citta-vrtti-nirodhah

Yoga ist das Zur-Ruhe-Bringen aller Aktivitäten des Geistes

Das Ziel von Yoga könnte also so definiert werden: Wir versuchen in unseren eigenen Geist einzutauchen, ihn zu verstehen und zu erweitern, und wir wollen menschliches Leiden überwinden. Um das zu erreichen, gibt es im Yoga eine Vielzahl verschiedener Techniken. Hier kommen dann die bei uns (im Westen) so bekannten Körperhaltungen (ASANAS) ins Spiel. Welche ursprünglich dafür gedacht waren, den Körper auf die Meditation vorzubereiten.

Patanjali sieht Yoga als einen Pfad, der aus acht Stationen besteht:

  1. 5 Yamas: Verhaltensregeln im Umgang mit anderen und der Umwelt
  2. 5 Niyamas: Verhaltensregeln im Umgang mit sich selbst
  3. Asanas: Körperhaltungen
  4. Pranayama: Atemtechniken
  5. Pratyahara: Rückzug der Sinne
  6. Dharana: Konzentration
  7. Dhyana: Meditation
  8. Samadhi: innere Freiheit | Erleuchtung

Der Yoga hat sich in den letzten Jahrhunderten sehr stark verändert. Ursprünglich wurde es nur von Männern ausgeübt, heute sind 90 % der yogapraktizierenden Frauen. Die Asanas, wie wir sie heute kennen, kamen erst sehr viel später dazu. Der Zweck des Yoga ist aber immer noch der gleiche, nämlich den Mensch von körperlichen und psychischen Beschwerden zu befreien und zu einem bewussten und friedvollen Leben zu führen.

Yoga ist also keineswegs alt und verstaubt, es ist eine Praxis die jede*n willkommen heißt. Die von Menschen jeden Alters in jeder körperlicher Verfassung und jeder Flexibilitätsstufe praktiziert werden kann. Es geht darum, die eigenen Grenzen zu akzeptieren und aufmerksam mit dem eigenen Körper umzugehen.

Wie schon der berühmte T.K.S. Krichnamacharya sagt: „Yoga kann jeder üben, der atmen kann“.

Yoga ermutigt uns, auf unseren Körper zu hören und achtsam zu sein, anstatt uns mit anderen zu vergleichen oder uns selbst zu verurteilen.

Einsatz von Gurt und Blöcken Foto: Canva

 

 

Fehlende Flexibilität ist kein Hindernis, um mit dem Yoga zu beginnen 

Wenn wir also den ursprünglichen Sinn des Yoga verstanden haben, dann macht ein Satz wie: „Yoga ist nichts für mich, ich bin überhaupt nicht flexibel“ überhaupt keinen Sinn mehr. Ich finde, es ist an der Zeit, diesen Glaubenssatz zu hinterfragen und zu erkennen, dass es um weit mehr geht als um körperliche Flexibilität.

Woher kommt diese Idee?

Oftmals liegt es an verbreiteten Vorstellungen und Stereotypen, die mit Yoga assoziiert werden. Yoga wird oft mit den Bildern von gelenkigen und verrenkungsfähigen Menschen in Verbindung gebracht, die scheinbar mühelos komplizierte Posen ausführen. Diese Darstellungen in den Medien und sozialen Netzwerken können den Eindruck vermitteln, dass Yoga nur für diejenigen geeignet ist, die von Natur aus flexibel und sportlich sind. So ist es aber in den Kursen, an denen ich teilnehme und bisher teilgenommen habe und diejenigen, welche ich unterrichte, überhaupt nicht.

Oder… Dieser Glaubenssatz dient dir zum einen als Ausrede, um dich nicht mit Yoga auseinandersetzen zu müssen. Indem du behauptest, nicht flexibel genug zu sein, vermeidest du es, dich einer neuen Praxis zu öffnen, die dich möglicherweise herausfordern könnte. Zum anderen kann es aber auch ein Schutzmechanismus sein, um dich vor möglicher Kritik oder dem Gefühl der Unzulänglichkeit zu bewahren. Dadurch, dass du dir selbst einredest, dass Flexibilität eine Voraussetzung ist, um Yoga zu praktizieren, brauchst du dich nicht mit den eigenen Ängsten oder Unsicherheiten auseinandersetzen.

 

 

Yoga unabhängig von der eigenen Flexibilität praktizieren

Perspektivwechsel: Versuche einmal deine Perspektive zu ändern. Lass die Vorstellung los, dass Flexibilität ein absolutes Muss für Yoga ist. Im Yoga geht es nicht darum, möglichst viele komplizierte Posen auszuführen (das macht auch hin und wieder Spaß, ist aber nicht das Ziel!). Viel wichtiger ist es den Körper über den Atem mit dem Geist zu verbinden. Eine bewußte Praxis zu etablieren, über Atemtechniken, Meditation, Achtsamkeit und indem die Yamas und Nijamas in den Alltag integriert werden.

Die Praxis passt sich an deinen Körper an: Jeder Körper ist einzigartig, und es gibt keine einheitliche Vorstellung davon, wie Yoga ausgeführt werden sollte. Yoga ist eine individuelle Praxis, die an die eigenen Bedürfnisse und Fähigkeiten angepasst werden kann. Es gibt unzählige Variationen und Modifikationen von Posen, die es ermöglichen, Yoga für jede*n anzupassen. Es ist wichtig zu erkennen, dass Yoga keine Wettbewerbssportart ist, bei der bestimmte Posen perfekt ausgeführt werden müssen. Es geht vielmehr darum, den eigenen Körper zu respektieren und auf seine Bedürfnisse einzugehen. Durch das Hinzufügen von Hilfsmitteln wie Blöcken, Gurten, Bolstern und / oder Kissen kann man Posen anpassen und unterstützen, um sie für den eigenen Körper zugänglicher zu machen. Konzentriere dich also lieber auf deine individuelle Reise und lass die Vergleiche mit anderen Yogis und Yoginis los. So kannst Du eine Yoga-Praxis entwickeln, die auf persönlicher Stärke und Wohlbefinden basiert.

Beginne schrittweise und lass dir Zeit: Yoga ist eine kontinuierliche Praxis, die Zeit und Hingabe erfordert. Es ist nicht realistisch zu erwarten, dass man von Anfang jede Pose praktizieren kann. Es ist wichtig, geduldig zu sein und sich selbst Zeit zu geben, um Fortschritte zu machen. Mache lieber kleine Schritte und konzentriere dich auf den Moment, auf das Jetzt, anstatt auf das Endziel. So kannst Du unabhängig von deiner Flexibilität die Freude an der Praxis entdecken. Finde das Gefühl von Erfolg in kleinen „Verbesserungen“. Erfreue dich an den vielen anderen positiven Auswirkungen von Yoga wie Stressabbau, verbesserte Körperhaltung, Kraftaufbau und geistige Klarheit.

 

 

 

Such dir Hilfe bei einem*r erfahrenen Yogalehrer*in

Darüber hinaus kann es sinnvoll sein, wenn du dir Unterstützung suchst. Zum Beispiel durch den Besuch von Yogakursen bei erfahrenen Lehrern, die in der Lage sind, deine individuellen Bedürfnisse und Bedürfnisse zu berücksichtigen. Yogalehrer*innen können Anpassungen und Modifikationen vorschlagen, um die Praxis für dich zugänglich zu machen. Es gibt viele Kurse, die speziell für Anfänger ausgerichtet sind und Tipps und Anleitungen bieten, um Yoga auf eine unterstützende und sichere Weise zu praktizieren.

Noch einmal: Es ist wichtig zu betonen, dass Yoga für jeden Menschen zugänglich ist, unabhängig von seiner Flexibilität. Es geht nicht darum, bestimmte Posen zu erreichen oder sich mit anderen zu vergleichen. Vielmehr geht es darum, eine Verbindung zum eigenen Körper herzustellen, die Atmung zu lenken und einen Zustand der Ruhe und Achtsamkeit zu erreichen.

Wenn du den Glaubenssatz überwindest, dass Flexibilität eine Voraussetzung ist, kannst du die vielen Vorteile von Yoga entdecken. Du wirst dann eine Praxis entwickeln, die auf deine persönlichen Bedürfnisse und Ziele eingeht und dir auf deinem Weg weiterhilft. Yoga ist eine individuelle Reise, die von jedem Menschen auf seine eigene Art und Weise erlebt wird. Es erfordert Hingabe, Geduld und die Bereitschaft, sich selbst anzunehmen, wie man ist und sich nicht mit anderen zu vergleichen.

 

 

Weitere Tipps wie Du Spaß an deiner Yogapraxis entwickelst

  1. Selbstakzeptanz und Mitgefühl: Oftmals vergleichen wir uns mit anderen und beurteilen uns selbst negativ, wenn wir nicht so flexibel sind wie sie. Es ist wichtig, sich selbst mit Mitgefühl zu begegnen und anzuerkennen, dass jeder Körper einzigartig ist und unterschiedliche Stärken und Grenzen hat. Indem du dich selbst akzeptiert und respektiert, wie du bist, kannst Du eine liebevolle Beziehung zum eigenen Körper aufbauen.
  2. Kleine Fortschritte feiern: Jeder Fortschritt, egal wie klein er auch sein mag, ist ein Erfolg. Anstatt sich auf das zu konzentrieren, was man noch nicht erreicht hat, ist es hilfreich, die kleinen Fortschritte zu erkennen und zu feiern. Vielleicht kann man eine Pose etwas tiefer halten als zuvor oder eine längere Zeit in einer bestimmten Position bleiben. Diese kleinen Erfolge zeigen, dass man Fortschritte macht und ermutigen dazu, die Praxis fortzusetzen.
  3. Achtsamkeit und Körperempfinden: Yoga ist eine Möglichkeit, die Verbindung zum eigenen Körper zu stärken, Freude an der Bewegung zu finden und bewusster zu werden, was man wirklich braucht. Indem man achtsam auf den eigenen Körper hört und seine Grenzen respektiert, kann man die Praxis sicher und effektiv gestalten. Konzentriere dich nicht auf das, was noch nicht geht, lenke stattdessen die Aufmerksamkeit auf das, was du spürst und wie sich die Haltung anfühlt. Die bewusste Wahrnehmung des Körpers während der Yogapraxis ermöglicht es, die eigene Flexibilität auf natürliche und nachhaltige Weise zu verbessern.
  4. Die wahre Flexibilität: findet im Geist statt! Flexibilität im Yoga bezieht sich nicht nur auf die körperliche Beweglichkeit, sondern auch auf die Fähigkeit, sich an verschiedene Situationen anzupassen und offen zu sein für neue Erfahrungen. Der Yoga lehrt uns unter anderem, wie wir mit Veränderungen abseits der Yogamatte umgehen und diese leichter annehmen können. Es geht darum, unsere eigenen Grenzen zu akzeptieren und gleichzeitig zu erkennen, dass wir die Fähigkeit haben, sie zu verschieben, anzupassen und über sie hinauszuwachsen.

 

 

Ich bin davon überzeugt, dass jeder die wunderbaren Vorteile von Yoga genießen kann und eine Praxis findet, die zu ihm passt und ihn auf seinem individuellen Weg unterstützt und begleitet.

Also los geht’s – „Yoga besteht zu 1 % aus Theorie und zu 99 % aus Praxis“! K. Pattabhi Jois

Alles Liebe, Elke